HORTUS MUSICUS
Christa Mäurer (Sopran)
Waltraud Russegger (Mezzosopran)
Michael Nowak (Tenor)
Günter Mattitsch (Bariton)
Dietmar Pickl (Bass)
Marlene Ullreich (Cembalo)
Miramis Semmler-Mattitsch (Violoncello)
Christoph Hofer (Akkordeon)
Programm
Zeitlos? nach einem eigenen Text für Bassbariton und Violoncello
Op.208/2019
Gedichte schreiben nach Gedichten von Drago Glamuzina, aus dem
Kroatischen von Klaus Detlef Olof für Bassbariton und Akkordeon
Op.207/2019
Dreizehn Gedichte nach eigenen Texten aus den 60er-Jahren für
Mezzosopran und Violoncello
Op.200/2019
Du nach dem Kapitel „Peristyl“ aus dem „Buch der Unruhe“
von Fernando Pessoa, aus dem Portugiesischen übersetzt von Inés Koebel
für 5 Stimmen, Cembalo und Violoncello
Op.205/2019
Dieter Kaufmann könnte man fast als Hauskomponist des Hortus Musicus
bezeichnen, so umfangreich sind die Kompositionen, die er für das
Ensemble geschrieben hat. Begonnen hat diese Zusammenarbeit 1984 mit
der „Volksoper“ nach dem Theaterstück von Gert Jonke
„Die Hinterhältigkeit der Windmaschinen“, uraufgeführt im Theater an der
Wien und gesungen, neben einigen Solisten, vom damals noch großen
Chor des Hortus Musicus. „Die Reise ins Paradies“ nach Robert Musil
und „Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus“ von Christine Lavant waren
weitere musikdramatische Programme. Kaufmann beteiligte sich auch
immer an Projekten, die das Ensemble in Hinblick auf Meister der
Tradition (Orlando di Lasso, Gesualdo di Venosa, John Dowland u.a.m.) mit
Kompositionsaufträgen an Komponisten der Gegenwart vergab.
Dieter Kaufmann ist Maniker. Er schreibt jeden Tag. Er schreibt schnell und
verlässlich. Ihm eine Deadline für eine Komposition zu nennen, kommt
einer Beleidigung gleich. Oder wie es sein Komponistenkollege Wolfgang
Liebhart einmal ausgedrückt hat: „Während Kollegen noch über
musikalische Konzepte Diskussionen führen und Möglichkeiten der
Realisierung erwägen, zieht der Dieter das fertige Opus bereits aus der
Schublade. Er schreibt schneller, als manche denken können.“
Dieter Kaufmann ist Jahrgang 1941. Demnach sind im nächsten Jahr 8
Dezennien voll. „Unser Leben währet siebenzig Jahr.....“ sagt der 90.Psalm.
Es wird in einem Jubeljahr viel Kaufmann zu hören sein. Von allen Seiten
wohl. Um die Fülle der Kompositionen zu schaffen, schlagen wir vor, die
Geburtstagskonzerte bereits heuer starten zu lassen. Und der Beginn ist
dieses heutige Konzert „Zeit ist jetzt“. Diese Aussage des 6-jährigen
Enkels von Dieter Kaufmann ist eine Textstelle aus „Zeitlos?“ und lässt in
ihrer Einfachheit unterschiedliche Deutungen zu. Ich biete eine an: Dieter
Kaufmann schaut nicht zurück, auch nicht in die Zukunft. Er lebt und
werkt im Augenblick des Jetzt.
(Dietmar Pickl)
Zum Programm
Vier Uraufführungen von Stücken, die ich im Jahr 2019 komponiert habe.
Dabei handelt es sich durchwegs um Text-Kompositionen mit Begleitung
weniger Instrumente.
Mein Text „Zeitlos“ nimmt einen originellen Ausspruch meines 6-jährigen
Enkels „Theo“ zum Anlass, um über das Zeitempfinden - speziell im Alter -
zu reflektieren.
Die Gedichte des kroatischen Dichters Drago Glamuzina handeln von den
Mühen der Selbstreflexion, von veränderter Wahrnehmung im Laufe einer
langen Ehe, von der Angst im Walde, vom Gefühl der Fremdheit in der
Geborgenheit.
Meine „Dreizehn Gedichte“ aus den 60-er Jahren versuchen, Mut zu
machen, indem sie zum Widerstand gegen die Außenwelt, aber auch gegen
die eigene Innenwelt aufrufen. Manche sind während meiner Studienzeit in
Paris entstanden und spiegeln die Gefühlswelt der sogenannten
„68-er-Generation“.
Der Text des großen portugiesischen Dichters Fernando Pessoa aus dem
„Buch der Unruhe“ ist dagegen die expressive Anrufung eines geliebten
Wesens, von dem der Autor mit Gewissheit sagt, dass es nicht existiert,
einer Engelsgestalt oder einer Muse, die ihm hilft, die Seele seiner Verse
aus ihrem „nutzlosen Amphorenkörper zu schöpfen“.
Musikalisch wird es mir immer mehr zum Anliegen, Atonalität und
Klangschönheit mit einander zu verbinden, also - wenn man so will -
Expression und Impression zu vereinen. Dabei spielen die 12 Intervalle
eine größere Rolle als die 12 Töne. Der Ausdruck der Intervalle, der mich
seit meinem Opus 10 („Studie über den Ausdruck der Intervalle“ für
Klavier) immer wieder beschäftigt hat, ist die Herausforderung in
Textkompositionen.
Hier kann Sprache wieder Musik werden.
Auch auf die Ausdrucksmöglichkeit von Dreiklängen innerhalb von
atonalen - oder besser atonikalen - Passagen will ich nicht verzichten. Alles
ist erlaubt, wenn es sinnerfassend wahrgenommen werden kann. Musik in
Textkompositionen hat für mich die Aufgabe, Sprache emotional zu
überhöhen und auf diese Weise deren Gefühlsinhalte verständlicher zu
machen.
Dabei spielen für mich die „unteren“ Intervalle der (wohl - temperierten!)
Obertonreihe (also von Halbton über Ganzton, kleine, große Terz und
Quart bis zum Tritonus) eine weit größere Rolle als die Mikrointervalle
der Spektralisten im „oberen“ Bereich. Es ist in gewissem Sinn ein
„Zurück zur Natur des Klanges“, die mich auch in der elektroakustischen
Musik immer mehr beschäftigt. Je digitaler die Umwelt, desto wichtiger die
Wahrnehmung der analogen Lebens-Wirklichkeit!
(Dieter Kaufmann)