HORTUS MUSICUS
Christa Mäurer
Waltraud Russegger
Michael Nowak
Günter Mattitsch
Dietmar Pickl
Programm
Thomas Tallis
(1505-1585)
Giovanni Pierluigi da Palestrina
(1525-1594)
Leonhard Lechner
(1553-1606)
Claudio Monteverdi
(1567-1643)
Lamentations of Jeremiah
Motetten aus dem Hohelied Salomonis
Quae est ista
Nigra sum
Pulchra es, amica mea
Dilectus meus
Caput eius
Vineam meam non custodivi
Das Hohelied Salomonis
Lamento d'Arianna
Lasciate mi morire
O Teseo, Teseo mio
Dove, dove è la fede
Ahi ch'ei non pur risponde
Die Klagelieder des Propheten Jeremia sind Trauergesänge auf den Fall Jerusalems und die Zerstörung des Tempels im Jahr 586 v.Chr. durch die Babylonier. Die Klagelieder sind anonym, sie enthalten nichts, was auf den Verfasser schließen lässt. Nach jüdischer Tradition gilt der Prophet Jeremia als Verfasser. Im Hauptstrom der heutigen theologischen Welt wird Jeremia als Verfasser kaum noch vertreten. In Stil und Ausdrucksweise gibt es jedoch Ähnlichkeiten zwischen dem prophetischen Buch Jeremia und den Klageliedern. Es ist anzunehmen, dass der Verfasser Augenzeuge der Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 v. Chr. war und damit ein Zeitgenosse Jeremias.
Die Klagelieder sind Beispiele von hochstehender hebräischer Dichtkunst. Sie sind im Versmaß der jüdischen Totenklage abgefasst. Auffälligstes Merkmal ist die Personifikation Jerusalems als „Tochter Zion“, klagende Mutter, vergewaltigte und entehrte Geliebte und verlassene Witwe.
Das Hohelied Salomonis ist ein Teil des Alten Testaments. Die Bezeichnung „Hohelied“ wurde von Martin Luther in seiner Bibelübersetzung gewählt. Die hebräische Bezeichnung lautet Schir ha-Schirim (שיר השירים), was “Lied der Lieder“ bedeutet und auch in der griechischen Septuaginta mit dieser Bezeichnung übernommen wird (Áσμα Aσμάτων /ásma asmáton), ebenso in der lateinischen Vulgata (Canticum Canticorum).
Das Hohelied ist eine Sammlung von Liebesliedern. Die kurze Erwähnung König Salomos am Beginn genügt jedoch nicht, Salomo als Verfasser des Hohenlieds anzunehmen, wenngleich Teile aus der Dichtung aus dem Umfeld des Königs Salomo stammen mögen.
Das Hohelied ist eine große Dichtung über die Liebe zwischen Mann und Frau. Das Lied erzählt vom Verlangen nach dem jeweils anderen, von Begegnung und Erfüllung, von Trennung und neuerlicher Sehnsucht. Die erotische Wirkung des Liedes entsteht aus der bildreichen Beschreibung der Frau und des Mannes, in der fantasievollen und detaillierten Beschreibung der Schönheit der oder des Geliebten, wobei die Frau im Hohelied den Hauptteil des Textes trägt.
Die Interpretation des Hohenliedes führte im Judentum zu der Deutung, dass darin die Beziehung zwischen Gott und dem Volk Israel beschrieben wird. Jegliche weltliche, erotisch-sexuelle Auslegung wurde somit ausgeklammert und abgelehnt.
Diesen Deutungstopos übernahm das Christentum: der Bräutigam ist dann meist Jesus Christus, die Braut die Kirche, die Einzelseele, oder die Jungfrau Maria.
Der prachtvolle und sinnliche Text hat zu verschiedenen Zeiten Komponisten angeregt, Teile des Canticum Canticorum zu vertonen.
Josquin Desprez, Heinrich Isaac, Melchior Franck, Leonhard Lechner, Adrian Willaert, Giovanni Pierluigi Palestrina, Heinrich Schütz als Vertreter der Alten Musik, aber auch Edvard Grieg und gegen Endes des 20.Jahrhunderts Ivan Moody, Heinz Kratochwil.
Giovanni Pierluigi da Palestrina hat insgesamt 29 Motetten aus Texten des Hohenliedes geschrieben. Wir haben davon sechs Motetten ausgewählt.
Leonhard Lechner hat einen sechs-teiligen Zyklus geschrieben. Die Texte hat er zum Großteil vom Beginn des Hohenliedes gewählt.
Die Oper L’Arianna schrieb Claudio Monteverdi aus Anlass der Hochzeit von Thronfolger Herzog Francesco Gonzaga mit Margherita von Savoyen in Mantua. Die Oper ist verloren gegangen, einzig die große Klage der Arianna („Lasciatemi morire“) gibt es in einer Solofassung für Sopran und einer 5-stimmigen Bearbeitung der Klage durch Monteverdi selbst in seinem VI. Madrigalbuch aus dem Jahr 1614.
TEXTE
The Lamentation of Jeremiah (Thomas Tallis)
Incipit lamentatio Jeremiae Prophetae
Aleph
Quomodo sedet sola civitas plena populo:
facta est quasi vidua domina gentium,
princeps provinciarum facta est sub tributo.
Beth
Plorans ploravit in nocte, et lacrimae eius in maxillis eius:
non est qui consoletur eam, ex omnibus caris eius;
omnes amici eius spreverunt eam, et facti sunt ei inimici.
Jerusalem, convertere ad Dominum tuum.
De lamentatione Jeremias Prophetae
Gimel
Migravit Juda propter afflictionem ac multitudinem servitutis.
Habitavit inter gentes, nec invenit requiem.
Daleth
Omnes persecutores eius apprehenderunt eam inter angustias.
Lugent eo quod non sint qui veniant ad solemnitatem.
Omnes portae eius destructae, sacerdotes eus gementes,
virgines eius squalidae, et ipsa oppressa amaritudine.
Heth
Facti sunt hostes eius in capite, inimici eius locupletati sunt.
Quia Dominus locutus est super eam propter multitudinem iniquitatum eius.
Parvuli eius ducti sunt in captivitatem ante faciem tribulantis.
Jerusalem, convertere ad Dominum tuum.
Die Klagelieder Jeremias (Thomas Tallis)
1. Teil
Es beginnt der Klagegesang des Propheten Jeremias.
Aleph
Wie liegt die Stadt so verlassen, die voll Volks war! Sie ist wie eine Witwe, und die eine Königin in den Ländern war, muss nun dienen.
Beth
Sie weint des Nachts, dass ihr die Tränen über die Wangen laufen. Es ist niemand unter allen ihren Liebhabern, der sie tröstet. Alle ihre Freunde sind ihr untreu und ihre Feinde geworden.
Jerusalem wende dich zum Herrn, deinem Gott.
2. Teil
Der Klagegesang des Propheten Jeremias.
Gimel
Juda ist gefangen in Elend und schwerem Dienst, es wohnt unter den Heiden und findet keine Ruhe.
Daleth
Alle seine Verfolger kommen heran und bedrängen es. Die Straßen nach Zion liegen wüst, weil niemand auf ein Fest kommt. Alle Tore der Stadt sind zerstört, ihre Priester seufzen, ihre Jungfrauen sehen jammervoll drein, und sie ist betrübt.
Heth
Ihre Widersacher sind obenauf, ihren Feinden geht’s gut, denn der Herr hat über die Stadt Jammer gebracht um ihrer großen Sünden willen, und ihre Kinder sind vor dem Feind dahingezogen.
Jerusalem wende dich zum Herrn, deinem Gott.
Das Ηοhelied Salomonis (Giovanni Pierluigi da Palestrina)
Quae est ista, quae progreditur quasi aurora consurgens, pulchra ut luna, electa ut sol, terribilis ut castrorum acies ordinata?
Wer ist diese, die da herkommt wie die aufsteigende Morgenröte, schön wie der Mond, auserlesen wie die Sonne, furchterregend wie ein geordnetes Heerlager?
Nigra sum, sed formosa, filiae Jerusalem, sicut tabernacula Cedar, sicut pelles Salomonis. Nolite me considerare quod fusca sim, quia decoloravit me sol: filii matris meae pugnaverunt contra me, posuerunt me custodem in vineis.
Tief gebräunt bin ich, aber schön, Töchter Jerusalems, wie die Zelte Cedar, wie die Felle Salomons. Betrachtet mich nicht, denn gebräunt hat mich die Sonne: die Söhne meiner Mutter lagen mit mir im Streit, als Hüterin der Weinberge haben sie mich bestimmt.
Pulchra es, amica mea, suavis et decora sicut Jerusalem: terribilis ut castrorum, acies ordinata. Averte oculos tuos a me, quia ipsi me avolare fecerunt.
Du bist schön, meine Freundin, liebreich und geschmückt wie Jerusalem: furchterregend wie ein geordnetes Heerlager. Wende deine Augen von mir ab, denn sie bringen mich dazu, vor dir zu fliehen.
Dilectus meus descendit in hortum suum ad areolam aromatum, ut ibi pascatur in hortis, et lilia colligat. Ego dilecto meo, et dilectus meus mihi, qui pascitur inter lilia.
Mein Geliebter ist in seinen Garten hinabgestiegen zu den Gewürzbeeten, dort weidet er im Garten und pflückt die Lilien. Ich gehöre meinem Geliebten und er gehört mir, er, der unter den Lilien weidet.
Caput eius aurum optimum, comae ejus sicut elatae palmarum nigrae quasi corvus. Oculi ejus sicut columbae super rivulos aquarum, quae lacte sunt lotae, et resident juxta fluenta plenissima.
Sein Haupt ist das reinste Gold, seine Haare sind wie Palmkronen, schwarz gleich den Raben. Seine Augen sind wie Tauben über den Wasserbächen, die in Milch gewaschen sind und in überfließenden Strömen wohnen.
Vineam meam non custodivi. Indica mihi, quem diligit anima mea, ubi pascas, ubi cubes in meridie, ne vagari incipiam post greges sodalium tuorum.
Meinen Weinberg habe ich nicht gehütet. Sag mir, den meine Seele liebt, wo du weidest, wo du zu Mittag ruhst, damit ich nicht anfange herumzuirren bei den Herden deiner Genossen.
Das Ηοhelied Salomonis (Leonhard Lechner)
Das erst Kapitel des Hohenliedes Salomonis
Er küsse mich mit dem Kuss seines Mundes,
denn deine Brüste sind lieblicher denn Wein,
dass man dein gute Salbe rieche.
Dein Nam ist ein ausgeschütte Salben;
darum lieben dich die Mägd.
Zeuch mich dir nach, so laufen wir.
Der König führet mich in seine Kammer.
Wir freuen uns und sind fröhlich über dir;
wir gedenken an deine Brüste mehr denn an den Wein.
Die Frommen lieben dich.
Der ander Teil
Ich bin schwarz, aber gar lieblich.
Ihr Töchter Jerusalem, wie die Hütten Kidar,
wie die Teppiche Salomon,
sehet mich nit an, dass ich so schwarz bin.
Denn die Sonne hat mich verbrannt.
Meiner Mutter Kinder zürnen mit mir.
Man hat mich zur Hüterin der Weinberg gesetzt;
aber meinen Weinberg, den ich hatte, hab ich nit behütet.
Sage du mir an, den meine Seele liebet,
wo du weidest, wo du ruhest um Mittag,
dass ich nit hin und her gehen müsse
bei den Herden deiner Gsellen.
Kennest du dich nit, du schönst unter den Weibern?
So geh hinaus auf die Fußstapfen der Schaf
und weide deine Böcke bei den Hirtenhäusern.
Der dritte Teil
Ich gleiche dich, meine Freundin,
meinem reisigen Zeuge an dem Wagen Pharao.
Deine Backen stehn lieblich in den Spangen,
und dein Hals in den Ketten.
Wir wöllen dir güldene Spangen machen mit silbern Böcklein.
Da der König sich herwandte,
gab mein Narden sein Geruch.
Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen,
das zwischen seinen Brüsten hanget.
Mein Freund ist mir ein Trauben Cophar
in den Weingärten zu Engeddi.
Der vierte Teil
Siehe, meine Freundin, du bist schön, schöne bist du;
deine Augen sind wie Taubenaugen.
Siehe, mein Freund, du bist schön und lieblich.
Unser Bette grünet, unser Häuser Balken sind Zedern,
unser Latten sind Zypressen.
Der fünfte Teil
Ich bin ein Blumen zu Saron und eine Rose im Tal.
Wie eine Rose unter den Dornen,
so ist meine Freundin unter den Töchtern.
Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen,
so ist mein Freund unter den Söhnen.
Ich sitz unter dem Schatten, des ich begehre,
und seine Frucht ist meiner Kehlen süße.
Er führet mich in den Weinkeller,
und seine Liebe ist sein Panier über mir.
Er erquicket mich mit Blumen und labet mich mit Äpfeln,
denn ich bin krank vor Liebe.
Seine Linke lieget unter seinem Haupt,
und seine Rechte herzet mich.
Der sechste Teil
Fahet uns die Füchse, die kleinen Füchslein,
die die Weinberg verderben,
denn unsere Weinberg haben Augen gewonnen.
Mein Freund ist mein, und ich bin sein,
der unter den Rosen weidet, bis der Tag kühl wird
und der Schatten weichet.
Kehre um, werde wie ein Rehe, mein Freund,
oder wie ein junger Hirsch auf den Scheidebergen.
Lamento d’Arianna (Claudio Monteverdi)
Prima parte
Lasciatemi morire!
E chi volete voi che mi conforte
in così dura sorte,
in così gran martire?
Lasciatemi morire!
Lasst sterben mich!
Wer sollte mich noch trösten
in solch grausamem Geschick
in solcher bittrer Pein?
Lasst sterben mich!
Seconda parte
O Teseo, O Teseo mio,
si, che mio ti vo' dir, che mio pur sei,
benchè t'involi, ahi crudo, a gli occhi miei
volgiti, Teseo mio,
volgiti, Teseo, o Dio!
Volgiti indietro a rimirar colei
che lasciato ha per te la patria e il regno,
e in queste arene ancora,
cibo di fere dispietate e crude,
lascierà l'ossa ignude.
O Teseo, o Teseo mio,
se tu sapessi, o Dio!
Se tu sapessi, ohimè, come s'affanna
la povera Arianna, forse pentito
rivolgeresti ancor la prora al lito:
Ma con l'aure serene
tu te ne vai felice et io quì piango.
A te prepara Atene
liete pompe superbe,
ed io rimango
cibo di fere in solitarie arene.
Te l'uno e l'altro tuo vecchio parente
stringerai lieto, ed io
più non vedrovi,
o Madre, o Padre mio.
O Theseus, o, mein Theseus,
mein möchte weiter ich dich nennen, denn du bist mein,
auch wenn du, Grausamer, vor meinen Augen fliehst.
Dreh dich um, mein Theseus,
dreh dich um, Theseus, o Gott,
dreh dich um, um sie erneut zu schaun,
die für dich ihr Land verlassen und ihr Königreich,
und die an diesem Gestade
als Futter für die gnadenlosen, wilden Tiere
ihren nackten Leib zurücklässt.
O Theseus, o, mein Theseus,
wenn du nur wüsstest, o Gott,
ach, wüsstest du nur, wie schwer
die arme Ariadne leidet,
dann würdest du vielleicht, voll Reue,
den Bug wieder zur Küste wenden;
da segelst du mit sanfter Brise
glücklich weg, derweil ich weine.
Athen bereitet dir
ein prachtvolles Fest, ich bleib zurück
als Futter für die wilden Tiere am einsamen Gestade.
Deine alten Verwandten werden glücklich
dich umarmen, und ich,
werde Mutter und Vater nie mehr sehen!
Terza parte
Dove, dov'è la fede
che tanto mi giuravi?
Così ne l'alta sede
tu mi ripon degl'avi?
Son queste le corone
onde m'adorni il crine?
Questi gli scetri sono,
queste le gemme e gl'ori?
Lasciarmi in abbandono
A fera che mi stracci e mi divori?
Ah Teseo, ah Teseo mio,
lascierai tu morire
invan piangendo, invan gridando aita,
la misera Arianna
ch'a te fidossi e ti diè’ gloria e vita?
Wo, ist die Treue, wo,
die du mir so oft geschworen?
Setzt du mich in solcher Art
auf den erhabnen Thron deiner Vorfahren?
Sind dies die Kronen
mir die Stirn du zieren?
Sind dies die Zepter,
dies der Schmuck und das Geschmeide?
Mich zu verlassen, mich auszusetzen
den Bestien, die mich in Stücke reißen und verschlingen?
Ach Theseus, ach, mein Theseus,
wirst du mich sterben lassen,
vergeblich weinen und um Hilfe flehen lassen,
mich, die erbarmenswerte Ariadne,
die dir vertraute, dir Leben und Ruhm verlieh?
Quarta e ultima parte
Ahi, che non pur risponde!
Ahi, che più d'aspe è sordo a' miei lamenti!
O nembi, o turbi, o venti,
sommergetelo voi dentr'a quell'onde!
Correte, orche e balene,
e delle membra immonde
empiete le voragini profonde!
Che parlo, ahi, che vaneggio?
Misera, oimè, che chieggio?
O Teseo, o Teseo mio,
non son, non son quell'io,
non son quell'io che ì feri detti sciolse;
parlò l'affanno mio, parlò il dolore,
parlò la lingua, sì, ma non già il core.
Ach, seine Antwort bleibt aus;
er ist meinen Klagen tauber als die Schlange.
O Donner, Wirbelwinde, Stürme
versenkt ihn unter diesen Wellen.
Eilt herbei, ihr Wale,
und füllt die tiefsten Abgründe
mit seinen unreinen Gliedmaßen.
Was sage ich, ach, welches irre Reden?
Was frage ich, die ich im Elend bin?
Oh Theseus, ach, mein Theseus,
ich war es nicht,
nicht ich sprach diese wilden Worte;
mein Jammer war’s und meine Pein,
die Zunge war’s und nicht das Herz.